16.07.2014

Niemand macht sich Sorgen - Leserbrief

Am Samstag und heute waren aus aktuellem Anlass mal wieder Artikel bzw. Glossen in der WZ, und ich stelle fest, dass die Journalisten es immer noch nicht auf die Reihe bringen, was der Unterschied zwischen freiwilligen Daten in sozialen Netzen und dem Abhören durch staatliche Organe ist.

Nach Einsendung des Leserbriefs als Email erhielt ich diesen Hinweis von der Redaktion: "vielen Dank für die Zusendung Ihres Leserbriefes. Den letzten Satz können wir nicht veröffentlichen, da er einen Hinweis auf einen Artikel im Spiegel enthält. Vielen Dank für Ihr Veständnis." (sic)

[Update 20140716: heute veröffentlicht, Änderungen und Auslassungen markiert]
Leserbrief zur Glosse Hr. B. WZ 05.07.2014, Artikel Hr. S. 07.07.2014

Hr. B., Ihre Glosse ist im Prinzip eine Bankrotterklärung an das Grundgesetz und die Menschenrechte, wenn Sie schreiben, dass wir "andere Sorgen" haben und uns deshalb nicht um das Abhören durch unsere "Freunde" kümmern.

Ganz im Gegenteil: ich mache mir enorme Sorgen, gleichzeitig habe ich ein schreckliches Gefühl der Machtlosigkeit. Dazu kommt noch die Beobachtung, dass unserer Regierung offensichtlich alles egal ist. Ein zahnloser Untersuchungsausschuss, in dem auch noch ein Doppelagent sass; ein Generalbundesanwalt, der trotz der vielfältigen Veröffentlichungen keinen Anfangsverdacht sieht; ein Minister, der sich abspeisen lässt und die Affäre für beendet erklärt; ein Regierungshandy, dessen neueste Technik schon wieder als geknackt gilt - kein Wunder, der Kryptochip darin kommt von Blackberry aus Kanada; ein Geheimdienst, der jeden automatisch für einen Extremisten hält, wenn er sich für Verschlüsselung interessiert (für TOR z.B.). Und eigentlich auch kein Wunder, das Hr. Range so dezent vorgeht: er ist ein politischer Beamter, dem Justizminister unterstellt und eben kein unabhängiger Jurist, der nur dem Gesetz verpflichtet ist.

Wenn Staaten ihre eigenen Bürger so extrem bespitzeln: kann man das noch Demokratie nennen? Was sind das für Menschen, die sich als Entwickler und Programmierer für so etwas hergeben? Die Stasi brauchte noch riesige Mengen an Informanten und Akten. Die Geheimdienste heutzutage brauchen nur noch gigantische Mengen an Speicherplatz. Die Abhörmöglichkeiten geben ihnen willfährige Telekommunikationsfirmen und sogar die "befreundeten" Geheimdienste. Hier fragt man sich ernsthaft, wo die Loyalitäten liegen - und ob die Politik das wusste oder nicht. Und natürlich werden die Kosten für das Abhören auf alle Kunden umgelegt. Wir bezahlen unser eigenes Abhören!

Hr. B., leider vermischen Sie immer noch die freiwillige Teilnahme an sozialen Netzwerken mit dem grenzen- und schrankenlosen Abhören durch Geheimdienste. Eine einzelne Firma kann niemals soviele Daten über mich sammeln. Abgesehen davon gibt es ein deutsches Datenschutzgesetz (zugegeben, etwas zahnlos), und auf europäischer Ebene wird ebenfalls darüber diskutiert.

Gefährlich wird es einerseits, wenn Daten aus vielen verschiedenen Quellen zusammengeführt werden. So etwas kann Facebook nicht in derselben Größenordnung wie die NSA und die "five eyes". Und noch gefährlicher wird es andererseits, wenn nicht nur die persönlichen Vorlieben, sondern auch die Verbindungsdaten ausgeforscht werden. Die Verbindungsdaten sagen aus, wer mit wem wann gesprochen hat und meistens auch noch, von welchem Ort aus. Schlimm wird es, wenn daraus automatisiert Folgerungen und Schlüsse gezogen werden, und am Ende sagt dann ein Geheimdienstchef ganz lapidar öffentlich "wir töten aufgrund von Meta-Daten".

Hr. S., es ist vollkommen falsch, davon zu sprechen, es werden "nur" Meta-Daten gesammelt. Schon allein diese Meta-Daten sind brandgefährlich und können unangenehm viele Informationen liefern und ausreichend Anlass bieten, weiter in den Fokus zu rücken.

Hoffentlich wurde die Drohne nicht durch einen falschen Schluss in Marsch gesetzt; Richter und Henker in einem, ohne ein rechtsstaatliches Verfahren zwischen Anklage, Verurteilung und Hinrichtung, und das alles unter der Regierung eines Friedensnobelpreisträgers. Vermutlich sogar gefüttert mit Daten auch vom BND, und vielleicht sogar gesteuert von einem Kontrollzentrum in Deutschland. Damit ist Deutschland am Morden beteiligt, obwohl unser Grundgesetz die Todesstrafe verbietet.

Selbst wenn *Sie* denken, dass Sie nichts zu verbergen haben: Kommunikation braucht zwei Partner. Wissen Sie alles über Ihren Gesprächspartner? Wissen Sie, ob *er* nicht vielleicht im Fokus der Überwachung steht? Dann sind *Sie* automatisch auch verdächtig, allein aufgrund Ihrer Bekanntschaft. Upps.

Ich weise nochmals auf diesen etwas älteren Artikel in Spiegel Online hin: "5 schlechte Argumente für mehr Überwachung".

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