18.01.2014

Leserbrief zu TTIP, dem Transatlantischen Abkommen zur Privatisierung der Staatssouveränität

In der WZ war neulich eine kurze Meldung, dass eine Papierfabrik vor dem Bundesverfassungsgericht klagt. Hier bei Spiegel Online wird etwas genauer erklärt, warum die Firma Klage eingereicht hat.

Diese kurze Meldung war für mich der Anlass, etwas allgemeiner über das TTIP-Abkommen zu schreiben und das als Leserbrief wegzuschicken.

Leserbrief zur Meldung "Firma PKV zieht vor das Bundesverfassungsgericht" (07.01.2014)

Die WZ berichtet, dass eine Papierfabrik vor das Bundesverfassungsgericht zieht, weil das firmeneigene Kraftwerk gesetzlich in die allgemeine Energieversorgung einbezogen wird, d.h. dass das firmeneigene Kraftwerk bei Überproduktion von außen vom Energieversorger Tennet gedrosselt wird, um weniger Strom einzuspeisen und das öffentliche Netz stabil zu halten. Die Firma betreibt dieses Kraftwerk, um Wärme für die Papierproduktion zu erzeugen, der Strom ist "nur" ein Abfallprodukt. Die Firma klagt vor dem höchsten deutschen Gericht gegen Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz wegen Eingriff in ihr Eigentum.

Diese kleine, an sich nicht besonders spannende Meldung (Firma klagt gegen Staat) ist ein guter Anlass, über das "Transatlantische Freihandels- und Partnerschaftsabkommen" TTIP nachzudenken. Dieses Abkommen soll weltweit Standards vereinheitlichen und damit den Handel vereinfachen. In dieser Schlichtheit hört sich das richtig gut an. Allerdings steckt wie üblich der Teufel im Detail: eine Vereinheitlichung bedeutet im Allgemeinen, dass immer der niedrigste Standard aus allen Partnerländern angenommen wird. Dieses Abkommen wird weltweit zwischen USA, EU, Kanada, Mexiko, Schweiz und vielen anderen Ländern abgeschlossen. Leider stammen die Entwürfe nicht von den Parlamenten, sondern von Lobbyvertretern der Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne Beteiligung der nationalen Parlamente oder des EU-Parlaments, und damit faktisch ohne demokratische Kontrolle. Es steht zu befürchten, dass durch das Abkommen Umwelt- und Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht werden. Die Vertragstexte dürfen nicht einmal von den Parlamentariern oder anderen Organisationen eingesehen, geschweige denn von ihnen Änderungen vorgeschlagen werden! Auffällig ist z.B. auch, dass Gewerkschaften, die ja die Arbeitnehmer repräsentieren, zur Arbeitsgruppe für Arbeitsplatz und Wachstum keinen Zugang haben.

In Deutschland formiert sich Widerstand gegen dieses Abkommen, u.a. sprechen sich Gewerkschaften, NGOs und Umweltschutzorganisationen wie ver.di, ATTAC, BUND, DNR uvm. dagegen aus. ver.di bezeichnet TTIP als "Angriff auf Löhne, Soziales und Umwelt". Die wirtschaftsfreundliche Bertelsmann-Stiftung, die übrigens an diesem Abkommen mitschreiben darf, schreckt nicht vor methodisch unsauberen Studien zurück, die schon widerlegt wurden (http://goo.gl/zSfU1R).

Nach meiner Meinung schafft dieses Abkommen nationale Regierungen und demokratisch verabschiedete Gesetze so gut wie ab. Wenn einem internationalen Konzern ein Gesetz nicht passt, wird dagegen geklagt. Würden Staaten also gegen die TTIP-Vertragsregelungen verstoßen, könnten hohe Entschädigungen an Unternehmen fällig werden. Darüber würden sogenannte Schiedsgerichte entscheiden, die keiner nationalen Gesetzgebung und Kontrolle unterworfen wären. Diese Entscheidungen von Schiedsgerichten könnten dann nicht mehr gerichtlich angegriffen werden.

Unternehmen könnten so etwa das staatliche Verbot bzw. die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel oder der Gasförderung mittels Fracking verhindern, oder Entschädigungszahlungen für den Ausstieg aus der Kernenergie erzwingen. Ein weiterer Verhandlungsgegenstand von TTIP ist z.B. die Rücknahme von Kontrollen und Regeln für den Finanzsektor. In den USA sind 90% aller Lebensmittel gentechnisch verändert und müssen trotzdem nicht gekennzeichnet werden. Wollen wir die Konzerne weiter entfesseln und unsere Souveränität privatisieren?

Zwei reale Beispiele, was mit diesen Regelungen auch auf uns zukommen könnte:

Die kanadische Provinz Québec hat ein Moratorium für das Fracking von Schiefergas und Öl erlassen. Deshalb klagt das US-Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und fordert 250 Millionen Dollar für den zu erwartenden Gewinnausfall. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Rückzahlung von Gebühren oder Entschädigung für schon getätigte Ausgaben, sondern um den entgangenen Gewinn!

Der Tabakkonzern Phillip Morris klagt auf Entschädigung in Milliardenhöhe gegen den Staat Australien aufgrund entgangener Gewinne durch strengere Gesetze zum Tabakkonsum.

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